Es ist noch gar nicht so lange her, da gehörten Röhrenfernseher noch zum Standardrepertoire eines Durchschnitts-Haushalts. Hoch wie breit und extrem ausladend, waren diese Ungetüme der Blickfang eines jeden Wohnzimmers – gewollt oder ungewollt. Die Bildqualität war überschaubar und könnte wohl im besten Fall als SD- also Standard Definition bezeichnet werden. Heute, kaum 15 Jahre später, ist es mir fast peinlich zu gestehen, dass mein unaufdringlich in die Raumgestaltung integrierter Flachbildfernseher gerade einmal HD ready ist. Denn die technologische Entwicklung schreitet rasant voran und bringt immer neue Modelle hervor, die immer schärfere Bilder wiedergeben können.
Augen werden im Laufe des Lebens zunehmend schlechter
Bei unseren Augen ist genau das Gegenteil der Fall. Seit Jahrtausenden ist die Auflösung die Gleiche oder hat sich allenfalls nur unwesentlich verändert. Und das Schlimmste ist, sie wird bei den meisten von uns im Laufe des Lebens immer schlechter. So als würde man den „Full-HD-Fernseher“ aus Kindertagen mit der Zeit immer wieder gegen ein älteres Modell eintauschen, bis man irgendwann nicht mehr als eine antiquierte Flimmerkiste besitzt, die kaum noch in der Lage ist, ein deutliches Bild hervorbringen.
Dreimal bessere Sehkraft durch bionische Linsen

So ähnlich wie diese Intraokularlinse könnte auch die von Garth Webb entwickelte bionische Linse aussehen.
Bild: Frank C. Müller
Einem kanadischen Wissenschaftler ist es nun gelungen, diesem Prozess eine revolutionäre Technologie entgegenzustellen. Die sogenannte bionische Linse soll eine dreimal bessere Sehkraft ermöglichen, als sie ein Normalsichtiger besitzt und das ganz unabhängig von möglicherweise bestehenden Fehlsichtigkeiten und ohne die Gefahr von Alterserscheinungen. Mit anderen Worten – Ultra HD für die Augen bis ins hohe Rentenalter.
Laut Garth Webb, so der Name des Forschers, ist die Linse für beinahe alle Menschen ab dem 25. Lebensjahr geeignet. Lediglich diejenigen, die unter Netzhauterkrankungen leiden, einen geschädigten Sehnerv haben oder denen bereits künstliche Linsen eingesetzt wurden, werden nicht von den bionischen Linsen profitieren können.
Relativ unkomplizierter Eingriff

Schematische Darstellung von der Entfernung der natürlichen Augenlinse und Injektion einer Intraokularlinse.
Grafik: Takuma-sa
Um die bionische Linse ins Auge einzusetzen, muss zunächst die natürliche Linse entfernt werden. Das funktioniert vermutlich so ähnlich wie bei einer Operation des Grauen Stars. Mithilfe eines Ultraschallgerätes wird die natürliche Linse in kleine Stücke zerteilt und daraufhin abgesaugt. Das Einsetzen der neuen, bionischen Linse ist dann laut Webb relativ unkompliziert und schnell durchführbar. Insgesamt soll der Eingriff nur wenige Minuten dauern. Durch eine Injektionsspritze wird die zusammengerollte Linse im Auge platziert. Dort entfaltet sie sich und bereits nach wenigen Sekunden soll es dem Patienten möglich sein deutlich schärfer zu sehen.
Die bionische Linse soll hauptsächlich zur Behandlung des Grauen Stars, aber auch bei Kurz- Weit- und Alterssichtigkeit könnte sie zum Einsatz kommen. Da sie eine dreimal schärfere Sicht als normal erzeugt, wäre die Linse sogar für Nicht-Fehlsichtige eine Option. Zurzeit finden noch umfangreiche Testläufe mit der Linse statt. Frühestens 2017 soll sie dann Marktreife erreichen.
Hochauflösende Sicht bietet auch Nachteile
Inwiefern die Technologie massentauglich ist, ist allerdings noch fraglich. Für Menschen, die über eine geschädigte Augenlinse verfügen, wäre die bionische Linse sicherlich eine Option. Ob es jedoch auch ratsam ist, gesunde Augenlinsen zu entfernen, um sie durch künstliche zu ersetzen, ist meiner Meinung nach zu bezweifeln.
Ein weiteres Problem ist die dreimal bessere Sicht, die die bionische Linse ermöglicht. Garth Webb preist diese zwar als großen Vorteil an, in Wirklichkeit hätte sie aber auch zahlreiche negative Konsequenzen. Stellt euch beispielsweise vor, ihr würdet euch und eure Mitmenschen auf einmal viel detaillierter sehen. Jede Hautpore, jedes Fältchen wäre plötzlich sichtbar und würde dafür sorgen, dass alle denen ihr begegnet auf einmal ziemlich alt aussehen.
Die bionische Linse ist zweifellos eine spannende Entwicklung. Ob und wie sie sich in der Realität tatsächlich durchsetzen kann, wird sich aber erst zeigen müssen.
6 Kommentare
Silex
25. Juni 2017 at 16:46So eine Linse müsste sich ja mit ihren Brechungsindex selbstständig anpassen können. Woher weiß die Linse ob ich nah oder fern etwas sehen möchte. Und von wo kommt die Energie, die dafür notwendig ist, her??
Lucky
17. Juli 2017 at 12:36Wie mein Vorredner es schon anspricht, die Funktionsweise gibt mir Rätsel auf, so auch die nötige Energie ( Körperwärme ) ?? Und, wird diese Operation schon in Deutschland angeboten ??
Immanuel
17. Juli 2017 at 15:14Hallo,
die Akkomodationsfähigkeit ist bei künstlichen Linsen natürlich ein Problem. Mittlerweile gibt es aber schon ein paar Intraokularlinsen (zur Behandlung des Grauen Stars), die sich durch die Anspannung des Ziliarmuskels in der Linsenkammer bewegen und so einen vergleichbaren Effekt erzielen, wie es die natürliche Linse schafft. An das Original kommen sie dabei aber bei Weitem nicht heran. Bei der bionischen Linse wird sicher ein ähnliches Problem bestehen, dass vermutlich nur gelöst werden kann, wenn es gelingt, die Kunstlinse richtig mit dem Ziliarmuskel zu verbinden. Ob das tatsächlich möglich ist bzw. irgendwann möglich sein wird, kann ich allerdings nicht beurteilen.
Da die letzten Veröffentlichungen zum Thema bionische Linsen jetzt schon fast 2 Jahre zurückliegen, kann man wohl davon ausgehen, dass dieses Produkt noch ein ganzes Stück weit von der Marktreife entfernt ist.
Minka
5. Oktober 2017 at 22:17Wie sieht es denn aus , kann die biotonische Linse auch die Sehkraft herstellen wenn man eine Augenerkrankung hat wie Keratokonus ( Hornhaut Verkrümmung ) ?
voice36
13. Oktober 2017 at 19:40Was ist eigentlich aus ‚ der Linse ‚ geworden .
Nicht ein Artikel findet man im Internet !
Sollte doch Mitte 2017 auf den Markt kommen !
Oder hat die Optikerindustrie mit Milliarden die Zulassung der Linse verboten
Immanuel
16. Oktober 2017 at 10:57Hallo,
du hast Recht. Es ist ziemlich ruhig um das Thema bionische Linsen geworden. Wie der aktuelle Stand ist, kann ich dir leider auch nicht sagen. Dass die Optikerindustrie ein Verbot erwirkt hat, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich vermute eher, dass fehlgeschlagene Testreihen entweder zu Verzögerungen oder möglicherweise zur Aufgabe des Projekts geführt haben. Sichere Informationen kann ich dir, wie gesagt, aber leider nicht liefern.